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Ein mitreißender Schmöker

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  Regensburg 1947 - hier beginnt der neue Roman von Lilli Beck. Nora begleitet ihre Freundin Hedi zu einem deutsch-amerikanischen Silvesterball. Heimlich, denn Noras Vater hätte ihr nie erlaubt, mit den Besatzern zu feiern. Zu ihnen gehört auch der US-Offizier William, in den sich Nora an dem Abend verliebt. Die beiden werden ein Paar, was sich anfangs noch verheimlichen lässt. Doch dann wird Nora schwanger und dazu kommt, dass William zurück muss in die USA. Noras Vater ist außer sich, hat aber letztendlich einen Plan, der das Ansehen der Familie wieder retten und ihr zu Geld verhelfen würde. Dieses Vorhaben ist so absurd für die junge Mutter, dass sie Hals über Kopf ihre Sachen packt und mit ihrem Kind nach München flieht. Dort begegnet sie auf der Straße der verwirrten Celia, Tochter der reichen Familie Wagner. Und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Lilli Beck entführt uns mit "Wenn die Hoffnung erwacht" in die Nachkriegszeit nach Regensburg und München. Der Schwarzmarkt...

Ein Buch zum Entschleunigen

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  Eine kleine Shetlandinsel im Atlantik - nur wenige Menschen leben hier. Unter anderem David, der dort aufgewachsen ist, mit seiner Frau Mary. Sandy, der auf der Insel sesshaft werden möchte. Alice, die einen Zufluchtsort sucht, nachdem ihr Mann gestorben ist. Ihr Alltag wird geprägt von den Jahreszeiten, von der Natur, dem stürmischen Atlantik. Der schottische Autor Malachy Tallack ist in Shetland aufgewachsen. Er hat es geschafft, auf beeindruckende Weise ein Buch zu schreiben, das einerseits völlig leise und ruhig erscheint, und das doch so ausdrucksstark und voller Tiefgang ist. 2018 kam es auf die Shortlist des Highland Book Prize und wurde für den Royal Society of Literature Ondaatje Prize nominiert. Ein Roman über das Leben, über Heimat, die Liebe, auch über Kummer und Schmerz. Erinnert hat mich die Lektüre ein wenig an Elizabeth Strout. Auch ihre einzelnen Geschichten über Menschen sind zu einem Ganzen verwoben und ergeben ein stimmiges Bild. Wer ein Buch sucht zum En...

Mit Commissario Morello in Venedig

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  Antonio Morello, auch genannt "der freie Hund" - ein Commissario mit Ecken und Kanten, der sich nicht unterkriegen lässt, der einen guten caffè schätzt, dazu ein Cornetto con Crema, ganz klassisch italienisch. Und Venedig in Zeiten der Pandemie, ohne Touristen, nahezu menschenleer. Dort versucht ein junger Flüchtling aus Nigeria, sich das Leben zu nehmen, indem er in den Canal Grande springt. Er kann zum Glück gerettet werden von Anna Klotze, Morellos Kollegin. Aber was hat den jungen Mann zu dieser Tat bewogen? Was belastet ihn? Anna und Antonio forschen nach, nicht immer ganz legal, aber das, worauf sie stoßen, hat unbeschreibliche Ausmaße, und Vorsicht ist angesagt, denn mit Cosa Nostra und der nigerianische Mafia ist nicht zu spaßen.  Ich muss zugeben, anfangs hat mich das Buch nicht sofort gepackt. Vielleicht habe ich es zu sehr verglichen mit dem erst kürzlich erschienenen neuen Band von Donna Leon, den ich mit Begeisterung gelesen habe. Aber nach etwa einem Drittel ...

Leise und doch so ausdrucksstark

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"Ein Roman wie ein roter Burgunder, der auf den ersten Schluck ganz unkompliziert ist, aber dann einen unglaublich langen Nachhall am Gaumen hinterlässt." So beschreibt Denis Scheck das neue Buch von Judith Hermann. Sehr treffend, wie ich finde.  Eine junge Frau arbeitet in einer Zigarettenfabrik. Sie bekommt ein Angebot von einem Magier, mit ihm auf Kreuzfahrt Richtung Asien zu gehen und mit ihm zu arbeiten - als "zersägte Jungfrau". Zeitsprung: 30 Jahre später ist diese Frau geschieden - hat eine erwachsene Tochter, die immer irgendwo in der Welt unterwegs ist - und zieht zu ihrem Bruder ans Meer. Sie arbeitet dort in dessen Kneipe und möchte ein neues Leben beginnen. Das alles klingt nach wenig Inhalt, unspektakulär, noch dazu, wo das Buch keine 200 Seiten hat. Und doch ist es eine Lektüre voller Kraft und Tiefgang, gleichzeitig leise und melancholisch. Die Protagonistin ist eine Frau Ende 40. Sie erzählt uns von ihrer Beziehung zu ihrem Ex-Mann, zu ihrer ...

Über die Freundschaft zweier Frauen

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  Kat und Easy sind 1973 Teenager. Sie teilen ihre Ängste und Sorgen miteinander, ebenso ihre Wünsche und Träume. Als sich die beiden 16-jährigen Mädchen in denselben jungen Mann verlieben, ist das nicht unbedingt förderlich für ihre Freundschaft. Schließlich geschieht ein schrecklicher Unfall. Und dann reißt der Kontakt zwischen den Jugendlichen abrupt ab. In der Gegenwart sind beide Frauen über 60 und haben nach wie vor keinen Kontakt mehr zueinander, bis Easy im Internet auf Kat stößt und diese schließlich in ihr Ferienhaus nach Kreta einlädt. Dort wollen die Frauen eine gemeinsame Woche verbringen, über ihre Vergangenheit reden und Geschehenes aufarbeiten. "Die Geschichte von Kat und Easy" spielt auf zwei Zeitebenen, springt immer wieder von der Gegenwart zurück ins Jahr 1973 und wird aus der Sicht von Kat erzählt. Das Buch hat mich erreicht, aber nicht durchgehend gefesselt. Zwischendurch gab es Abschnitte, die ich etwas langatmig fand.  Gestört hat mich außerdem de...

Erstklassiger Regionalkrimi

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Der Fallanalytiker Niklas Grimm wird nach einem vermasselten Einsatz strafversetzt. Statt in der Großstadt München muss er nun zukünftig in Lindau im Team von Emma Bosse ermitteln.  Der erste Fall lässt nicht lange auf sich warten, denn am Bodensee wird die Leiche von Nele Gruber gefunden. Die Ermordete war Anführerin der Tierschützer-Gruppe "freedog" und nicht unbedingt überall gern gesehen. Verdächtige gibt es somit genug. Und nachdem es nicht bei einer Leiche bleibt, ist das Team um Grimm und Bosse mehr als gefordert. Der Roman "Die Toten von Lindau" ist der erste Fall der Bodensee-Reihe von Thomas J. Fraunhoffer. Bekannt ist der Autor auch unter dem Pseudonym Franz Hafermeyer mit den "Schäfer und Dorn"-Schwabenkrimis. Entstanden ist ein kurzweiliger Krimi, der einen ab der ersten Seite fesselt und bis zum Schluss nicht mehr loslässt. Immer wieder kommt es zu Irrungen und Wendungen, sodass die Geschichte bis zur letzten Seite spannend bleibt. Alle...

Herrlich skurril und makaber

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  Björn Diemel hat gerade seinen 45. Geburtstag hinter sich gebracht und macht sich nun so seine Gedanken über das Leben und das, was noch kommen könnte. Sein Therapeut Joschka Breitner rät ihm zu einer Pilgerreise. Nach einigem Hin und Her macht sich Björn also auf den Jakobsweg. Sein Fußmarsch nach Santiago de Compostela verläuft allerdings nicht ohne Zwischenfälle, denn schon auf der zweiten Etappe gibt es einen Toten. Und dieser ist nicht zufällig an Herzversagen gestorben, sondern wurde erschossen. "Achtsam morden am Rande der Welt" ist der dritte Band um Björn Diemel und setzt die Bücher "Achtsam morden" und "Das Kind in mir will achtsam morden" fort. Man kann den Roman aber problemlos lesen, ohne die Vorgänger zu kennen. Mir hat dieses Buch großes Vergnügen bereitet. Mit schwarzem Humor erzählt Karsten Dusse wunderbar skurril und makaber vom Leben des Rechtsanwalts Björn Diemel, von dessen Beziehung zu seiner Ex-Frau Katharina und deren gemeins...