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Es werden Posts vom September, 2020 angezeigt.

Ein brisantes Thema

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Richard Gärtner ist 78 Jahre alt, geistig und körperlich fit. Seit dem Tod seiner Frau, die an Krebs gestorben ist, sieht er keinen Sinn mehr in seinem Leben. Er möchte sterben und bittet seine Ärztin daher um ein Medikament. Gärtner war 42 Jahre verheiratet und ist seit drei Jahren Witwer. Die Ethikkommission diskutiert den Fall. Ferdinand von Schirach hat sich in "Gott - Ein Theaterstück" den Themen Suizid und Sterbehilfe gewidmet.  In den Rollen finden wir neben Gärtner noch die Vorsitzende sowie ein Mitglied des Ethikrates, einen Rechtsanwalt und einen Rechtssachverständigen, Gärtners Augenärztin - sie ist eine Art Hausärztin für ihn - sowie einen medizinischen Sachverständigen und schließlich einen theologischen Sachverständigen. Der Anhang des Buches besteht aus Essays von drei namhaften Wissenschaftlern, die das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Wie schon in seinem Drama "Terror" lässt Ferdinand von Schirach am Ende den Leser

Brilliant

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Kommissar Kluftinger wird am Todenbett eines vor über 30 Jahren Verurteilten gebeten, den wahren Mörder zu finden. Was ist damals genau passiert? Wer ist der wahre Mörder der jungen Lehrerin? Und wie hängt das Verbrechen von damals mit den jetzigen Ereignissen zusammen? Wer hat den Kommissar vor einigen Wochen im Wald überfallen? Gemeinsam mit seinem Team und vor allem mit seiner neuen jungen Kollegin Lucy Beer macht sich Kluftinger auf die Suche nach den Tätern. 'Funkenmord' knüpft nahtlos an den vorherigen Band an, in welchem der Kommissar selbst in einen Fall verwickelt und sein Kollege getötet wurde. Kluftinger setzt alles daran, Licht ins Dunkel zu bringen, was in ihm einiges aufwirbelt. Auch privat läuft es nicht ganz rund. Erika, die Gattin des Kommissars, leidet unter Migräne, sodass ihr Mann auch im Haushalt gefordert ist. Es ergeben sich amüsante Situationen. Mit 'Funkenmord' ist dem Autorenduo Volker Klüpfel und Michael Kobr wieder ein bril

Beeindruckende Statements

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Ruth Bader Ginsburg war Juristin und seit 1993 Richterin am Supreme-Court, dem obersten Gerichtshof der USA. Die Ikone wird gefeiert wie ein Popstar. Berühmt gemacht haben sie die Worte "I dissent - Ich widerspreche". Am 18. September 2020 hat sie den Kampf gegen den Krebs verloren und ist im Alter von 87 Jahren in Washington, D.C. verstorben. Dieses Werk beinhaltet neben einer Einleitung und dem Kapital "Meilensteine" drei Teile mit ganz unterschiedlichen Statements der berühmten Richterin und Feministin. Mich hat die Lektüre sehr beeindruckt und begeistert. Es ist schwer, etwas darüber zu schreiben, finde ich. Man muss das Buch einfach gelesen haben. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen. Herausgegeben wurde das Werk von Helena Hunt und  übersetzt von Stefanie Retterbush aus dem Amerikanischen. Es ist im btb Verlag erschienen und hat 256 Seiten.

Mitreißende Story

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Connell und Marianne - zwei junge Menschen, die in derselben Stadt wohnen und in dieselbe Schule gehen. Ansonsten haben sie keine Gemeinsamkeiten. Er lebt alleine mit seiner jungen Mutter in bescheidenen Verhältnissen und ist der Star an der Schule. Sie kommt aus reichem Elternhaus, bewohnt mit ihrer Mutter und ihrem Bruder eine große Villa und ist eine Einzelgängerin. Als Connell seine Mutter von der Arbeit abholt - sie ist Haushälterin bei Mariannes Familie - kommen die Jugendlichen ins Gespräch und ihrer beider Leben verändert sich. Sally Rooney hat mit "Normale Menschen" einen fulminanten Roman geschrieben. Episodenhaft beschreibt sie das Leben und die On-Off-Beziehung von Connell und Marianne. Ist 'Beziehung' überhaupt der richtige Begriff? In welchem Verhältnis stehen die beiden zueinander? Was verbindet sie?  Es ist eine bewegende und berührende Geschichte über Freundschaft, Faszination, Begehren und Macht. Die Lektüre hat mich ab der ersten Seit

Wieder einmal meisterhaft

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Elizabeth Strout erzählt in "Alles ist möglich" wieder einmal Geschichten über Leute einer Kleinstadt der USA. Sie erzählt von Liebe und Glück, aber auch von Kummer und Schmerz. Im Mittelpunkt stehen einfache Menschen im Mittleren Westen, Menschen unterschiedlichen Alters. Wie auch bei Strouts "Olive Kitteridge" geht es hier um Beziehungsprobleme, Eifersucht, Selbstverwirklichung, Ängste, Sehnsüchte, Menschenliebe - es geht um das Leben. Die Pulitzerpreisträgerin schafft es wunderbar, einzelne Episoden zu einem Ganzen zu verweben. Die Kapitel sind in sich abgeschlossen, jedoch tauchen die Personen immer wieder in anderen Abschnitten des Romans auf. Für "Alles ist möglich" wurde die Autorin 2018 zurecht mit dem Story Prize ausgezeichnet. Es ist eine sehr berührende und tiefgründige Lektüre, die meisterhaft geschrieben ist. Absolut empfehlenswert! Das Buch hat 256 Seiten und ist als Taschenbuch im btb Verlag der Verlagsgruppe Random Hou

Berührend und erschütternd

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Wir schreiben das Jahr 1313. Der Junge Eusebius, genannt Sebi, lebt in einem Dorf in der Talschaft Schwyz. Er liebt es, Geschichten zu hören und selbst zu erzählen. Die schweren Arbeiten auf den Feldern und das Leben der Soldaten dagegen sind nichts für ihn. Eines Tages lernt er den Halbbart kennen, einen Fremden, der irgendwann einfach da war. Keiner weiß, wo er herkam. Seinen Namen hat er durch sein Aussehen bekommen, da ihm nur noch auf der einen Gesichtshälfte Bart wächst. Die andere Seite ist überzogen von Brandnarben und schwarzen Krusten. Der Halbbart wird für Sebi zum Vertrauten, zur Bezugsperson, mit ihm kann er sich austauschen und philosophieren. Beider Leben und ihre Freundschaft werden jedoch schwer beeinflusst von den Grausamkeiten des Mittelalters.  Charles Lewinsky hat mit "Der Halbbart" einen wuchtigen Roman geschrieben, der es auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis 2020 geschafft hat. Es ist eine beeindruckende Geschichte, in die man leicht ein

Gespräche mit Tiefgang

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Am 11. März 2020 erklärt die Weltgesundheitsorganisation die Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 zu einer Pandemie. Ferdinand von Schirach und Alexander Kluge führen 19 Tage später über einen Instant-Messaging-Dienst zwei Gespräche. Sie tauschen sich aus über Corona und die damit verbundenen Einschränkungen, philosophieren über die Grundrechte, gehen unter anderem gedanklich zurück bis in die Zeit von Papst Gregor VII. und Heinrich IV. sowie zu anderen Meilensteinen unserer Geschichte.  Mit 'Trotzdem' ist den beiden Juristen und Schriftstellern eine sehr bereichernde Lektüre gelungen, die zum Nachdenken und vielleicht auch zum Umdenken in unserer turbulenten Zeit anregt. Das kleine Buch hat 80 Seiten und ist im Luchterhand Literaturverlag erschienen.  Werbung unbezahlt | Rezensionsexemplar 

Beeindruckende Lektüre

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Der vierzigjährigen Ilaria aus Rom steht eines Tages an ihrer Haustür ein junger Äthiopier gegenüber, der behauptet, mit ihr verwandt zu sein. In seinem Ausweis steht der gleiche Name, wie ihn Ilarias Vater trägt. Dieser jedoch ist über 90 Jahre alt und nicht mehr in der Lage, sich dazu vernünftig zu äußern. Francesca Melandri erzählt in "Alle, außer mir" auf beeindruckende Weise die Geschichte einer italienischen Großfamilie über drei Generationen. Der Roman beschäftigt sich unter anderem mit dem brisanten und wichtigen Thema "Flüchtlingspolitik" und geht außerdem zurück in die Zeit des Abessinienkrieg in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. "Alle, außer mir" fand ich sehr anspruchsvoll zu lesen, da ich vor allem mit den politischen Themen nicht wirklich vertraut war. Alles in allem aber ist der Roman, der 2018 mit dem Preis der unabhängigen Buchhandlungen ausgezeichnet wurde, eine bemerkenswerte Lektüre, die ich durchaus empfehlen kann.

Ein wunderbarer Wohlfühlroman

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Leena und Eileen - Enkelin und Großmutter. Das sind die beiden Protagonisten von Beth O'Learys Roman "Time to Love". Leena lebt im hektischen London. Ihr stressiger Job als Senior Consultant und der Tod ihrer Schwester bringen sie an ihre Grenzen, daher bekommt sie von der Firma eine zweimonatige Auszeit verordnet. Die fast 80-jährige Eileen dagegen wohnt in einem Dorf auf dem Land und fühlt sich völlig unterfordert. Zudem ist sie auf der Suche nach einem neuen Mann, der in ihrem begrenzten Umfeld allerdings nicht zu finden ist. Sie muss den Suchradius erweitern. Wie wäre es mit London, der turbulenten Stadt, von der Eileen schon in jungen Jahren geträumt hat? Während Leena zur Ruhe kommen möchte, braucht ihre Großmutter ein bisschen Abwechslung. Was liegt da näher, als die Wohnsitze zu tauschen? Mit "Time to Love" ist Beth O'Leary ein wunderbarer Roman gelungen. Ein Wohlfühlroman - gefühlvoll,  aber nicht kitschig. Das Buch liest sich leicht und

Unterhaltung auf höchstem Niveau

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Elizabeth Strout erzählt in ihrem Roman "Die langen Abende" Geschichten über die kleinen Leute mit ihren Problemen - seien es Paarprobleme, Ärger mit Kindern, Trennung, Fremdgehen, Krankheiten - Situationen im Leben, die jeder kennt. Im Mittelpunkt steht Olive Kitteridge, eine pensionierte Lehrerin. Sie ist schrecklich direkt und manch einer wird sie als sehr unangenehm empfinden. Jack, ehemals Professor an der Harvard University und verwitwet, umwirbt Olive. Auch er nimmt eine große Rolle in dem Buch ein. Der Roman spielt in Crosby, einer Kleinstadt in Maine an der Ostküste der USA. Es ist ein berührendes Buch, das einen nachdenken lässt über das Leben, über das Alter. Ein Buch, das vielleicht ein wenig traurig stimmt, vor allem aber auch herrlich komisch, amüsant und skurril ist. Für den vorhergehende Band "Mit Blick aufs Meer"- im Englischen unter dem Titel "Olive Kitteridge" erschienen - bekam Elizabeth Strout 2009 den Pulitzerpreis.  Man k