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Väter und Söhne

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„Rei in der Tube“ - da werden bei mir Kindheitserinnerungen wach, denn meine Eltern hatten dieses Waschmittel in den 70er- und 80er-Jahren immer in unseren Urlauben dabei. Und dann wurden damit einzelne Kleidungsstücke im Waschbecken rausgewaschen. Erfunden wurde „Rei in der Tube“ von Andreas Wunns Großvater. Er hatte eine Drogerie in St. Ingbert und war mit seiner Waschmittelmarke Rei in der Nachkriegszeit sehr erfolgreich. Dies hat sich allerdings dann geändert, denn bereits Mitte der 1950er verlor er sein Vermögen selbstverschuldet wieder. Der Journalist Andreas Wunn hat nun in seinem Buch „Saubere Zeiten“ Teile dieser Familiengeschichte mit Fiktivem verwoben und so einen sehr lesenswerten Roman geschaffen.  Der Ich-Erzähler Jakob Auber reist von Berlin nach Trier, wo sein Vater im Sterben liegt. Und er begibt sich dort in der alten Heimat zurück in die Vergangenheit, macht sich auf die Suche nach Antworten - Antworten auf offene Fragen, die sein Vater hinterlassen hat. Dabei fü...

Gibt es noch ein Dazwischen?

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Nach „Die Liebe an miesen Tagen“ von Ewald Arenz durfte ich nun gleich anschließend ein weiteres Highlight lesen.   „Zwischen Welten“ von Juli Zeh und Simon Urban - ein Briefroman bestehend aus Nachrichten per WhatsApp und eMails.  Gefühlt sind es zwei verschiedene Welten, in denen Theresa und Stefan leben. Sie bewirtschaftet den Ökobauernhof ihres verstorbenen Vaters in Brandenburg. Er ist Kulturchef bei „Der Bote“, Deutschlands größter Wochenzeitung. Beide kennen sich aus dem Studium und waren damals sehr eng miteinander befreundet. Nun nach 20 Jahren sehen sie sich zufällig wieder. Was folgt, ist ein reger Austausch digitaler Nachrichten.  Aneinander vorbeireden, gar nicht auf die angesprochenen Themen des anderen eingehen, sie regelrecht ignorieren, immer wieder einfach die eigenen Probleme in den Vordergrund stellen - das gelingt Theresa und Stefan perfekt. Und das spiegelt so ein bisschen unsere Gesellschaft wieder.  Trockenheit, Schweinepest - Landwirte, die u...

So poetisch und einfach wunderschön

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»Der Zauber des Anfangs… wieso kann er nicht immer bleiben? Wieso kann man sich nicht immer um diese Kleinigkeit fremd bleiben, damit man die wahre Nähe nicht verliert?« Es gibt Geschichten, die sind so schön erzählt, dass man kaum Worte findet, um einen Leseeindruck zu verfassen. Ewald Arenz hat mit „Die Liebe an miesen Tagen“ wieder genau so eine Geschichte geschaffen. Einen Roman, bei dem vom Anfang bis zum Schluss alles absolut stimmig ist - sprachlich so fein, so dezent, fast poetisch, ganz ausdrucksstark. Da ist Clara, eine Fotografin, die ihren Job verliert und nun arbeitslos ist. Und Elias, er ist Schauspieler und wesentlich jünger als Clara, ganz jung allerdings auch nicht mehr. Die beiden lernen sich kennen und verlieben sich ineinander. Sozusagen Liebe auf den ersten Blick.  „Man denkt immer, sie trifft einen nicht. Und dann trifft sie einen doch, diese eine große Liebe.“ Klingt banal? Ist aber alles andere als das.  „Die Liebe an miesen Tagen“ ist eine tiefgehende ...

Eine bewegende Vergangenheit

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Dr. Isidor Geller - der Onkel von Shelly Kupferbergs Großvater Walter und somit Shellys Urgroßonkel - der schillernde Isidor, ein Lebemann, Multimillionär und Kunstliebhaber, Kommerzialrat in Wien, 1938 von den Nazis in den Tod getrieben.   In ihrem Debüt, das im Diogenes Verlag erschienen ist, erzählt Shelly Kupferberg von ihren jüdischen Vorfahren, insbesondere von Isidor und Walter. Die Journalistin hat sich auf die Suche gemacht, hat sich auf die Spuren ihrer Vergangenheit begeben. Auf Spuren, die nach Ostgalizien, Wien, Budapest und sogar Hollywood führten.  Was für eine bemerkenswerte Erzählung!  Diese klare, elegante Sprache, die bildhaften Schilderungen. Ich bin begeistert! Das Buch hatte ich mir von Freunden ausgeliehen und werde es mir nun aber kaufen. So eine Lektüre möchte ich einfach selbst besitzen und vielleicht irgendwann nochmal lesen. Man merkt, ich bin sehr beeindruckt. Von mir gibt’s daher eine ganz klare Empfehlung für dieses Lese-Highlight.  www...

Federleicht und kurzweilig

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„Der Zauberberg“ von Thomas Mann - gefühlte 60 Jahre schlich Christine Westermann um ihn herum. Zeitgleich mit dem Schreiben ihres neuen Buches macht sie sich ans Lesen des etwa 1000 Seiten umfassenden Werks. Mit Beenden ihres Buches möchte sie auch mit Thomas Manns Zauberberg durch sein. Ob ihr das gelingt erfahren wir in „Die Familien der anderen“. Christine Westermann - Journalistin, Moderatorin und Autorin - erzählt in der Lektüre sehr kurzweilig aus ihrem Leben und    von ihrer Liebe zum Lesen. Nebenbei lässt sie Buchempfehlungen einfließen. Und immer wieder erfahren wir zwischendurch von ihrem Lesefortschritt bezüglich des Zauberbergs.  Mit 224 Seiten ist „Die Familien der anderen“ ein Buch, das sich leicht und schnell lesen lässt. Wer Christine Westermann kennt, der hat beim Schmökern bestimmt ihre Stimme im Ohr. Oder man widmet sich dem Hörbuch, welches die Autorin selbst liest.  Mir hat diese Art von Biografie gut gefallen. Ich mag Christine Westermann sehr ...

Magisch und melancholisch

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Du willst ein Buch, welches dich ab der ersten Seite in seinen Bann zieht, voller Magie, mit einem Hauch Nervenkitzel, eine berührende Lektüre, einfach zu lesen, einen Pageturner? Das alles trifft auf „Die Kunst des Verschwindens“ von Melanie Raabe zu. Ich kannte die Autorin bisher noch nicht, was vermutlich daran liegt, dass sie ausschließlich Thriller geschrieben hat. Ihr neuer Roman - diesmal kein Thriller - ist mir kürzlich auf der Spiegel-Bestsellerliste aufgefallen und mehrmals schon auf Instagram begegnet. Die Posts dazu haben mich sehr neugierig gemacht, und ich wollte das Buch unbedingt lesen. Innerhalb von drei Tagen habe ich es nun verschlungen, bin eingetaucht in das Leben von Nico und Ellen.  Die Fotografin Nicolette, genannt Nico, ist Anfang 30 und lebt in Berlin. Zwischen den Jahren begegnet sie zufällig der berühmten Schauspielerin Ellen Kirsch und fühlt sich fast magisch zu ihr hingezogen. Nach einigen Treffen verschwindet Ellen ganz plötzlich von einem Tag auf den...

Atmosphärisch sehr stark!

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Es gibt Bücher, da weiß man im Vorfeld schon, dass sie Bestseller werden. Dörte Hansens neuer Roman „Zur See“ gehört dazu - und das absolut berechtigt! Er erzählt von den Menschen einer Nordseeinsel. Menschen, die seit Generationen Seefahrer in ihren Familien haben. Die Familie Sander ist eine von ihnen. Jens, der Vogelwart, seine Frau Hanne und ihre erwachsenen Kinder.  Da ist Sohn Ryckmer, dem sein Kapitänspatent entzogen wurde, der in der Kneipe den Alltag vergessen will und von Killerwalen im Mittelmeer, von Portugiesischen Galeerenquallen, Elmsfeuern und grünen Lichtern auf See erzählt.  Tochter Eske, eine Altenpflegerin, die Heavy Metal braucht und auf Tätowierungen steht. Und Henrik, der Jüngste, der erste Sander, der kein Seefahrer wurde, der nicht mehr als seinen Strand und seine See braucht. Ein Künstler, immer auf der Suche nach Treibholz für seine Objekte, seine Treibgutwesen, mit denen er spricht wie mit seinem Hund und seinen Freunden.  Dörte Hansen erzählt ...